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Schutz gegen COVID-19: Teil 2

Das Impfkarussell: Wer hat noch den Durchblick?

Fachkommentar: Mag. Pharm. Adelheid Tazreiter

Das Thema „Impfen“ war medial schon immer ein heißes Eisen.

Da waren die Befürworter, meist Ärzte und andere naturwissenschaftlich oder medizinisch gebildete Menschen, die im Impfen einen großen Nutzen für die Volksgesundheit sahen. Und an der gegnerischen Front die Kritiker, die Impfen als unnatürlichen Eingriff in unser Immunsystem bewerteten und selten über die schützende Wirkung, sondern vielmehr über die (in der Regel sehr seltenen) Impfreaktionen und Impfschäden sprachen.

Der mündige Bürger konnte die jeweiligen Argumente abwägen, die Fakten checken und schließlich für sich (und sein Kind) eine Entscheidung treffen.

Und dann kamen Corona und einige Zeit später auch die ersten CORONA-IMPFSTOFFE.

War die Welt anfangs froh, irgendeinen Impfstoff zu bekommen, kam mit der Wahl auch die Qual. Ob von Biontech/Pfizer (Produktname: Comirnaty®), AstraZeneca (Produktname: seit 30.3. umgetauft auf Vaxzevria®) oder Moderna (Produktname: COVID-19 Vaccine Moderna®) – wir Europäer konnten und können auf verschiedene Impfstofftypen bauen.

Doch die WAHL HABEN WIR trotzdem NICHT.

Die Einkaufspolitik der jeweiligen Regierungen mit Preiskämpfen wie auf einem orientalischen Basar, Falscheinschätzungen, Lieferausfällen, Vertragsbrüchen und unverständlichen Preisdeckelungen lassen uns Bürgern nur eine Entscheidung: Nimm, was du kriegst oder lass es bleiben. Selbst wenn der AstraZeneca-Impfstoffes (in äußerst geringer Zahl auf die Gesamtmenge) Sinusvenenthrombosen bei jüngeren Frauen auslösen kann, hält Österreich (und auch die EMA) am Impfstoff fest und impft fleißig weiter – ganz entgegen der normalen Vorgangsweise in solchen Fällen: die Anwendung stoppen, einen möglichen Zusammenhang untersuchen und im besten Falle auszuschließen und je nach Ergebnis das Arzneimittel / den Impfstoff wieder freizugeben oder vom Markt zu nehmen.

Doch die EMA (Europäische Arzneimittel Agentur) steckt im Dilemma. Neue Mutationen des SARS-CoV-2 wüten durch Europa, die erheblich ansteckender sind und teilweise zu schwereren Verläufen führen – wodurch es immer wichtiger wird, schnell eine gute Durchimpfungsrate zu erreichen. Und wenn – wie in Österreich – hauptsächlich der Impfstoff von AstraZeneca zur Verfügung steht, muss man mit (sehr geringem) Nebenwirkungsrisiko weiterimpfen. Denn eines ist klar: erst wenn die Durchimpfungsrate etwa 70% beträgt, können wir alle – unter Einhaltung der Hygieneregeln – wieder zu einer Art Normalität zurückkehren.

Alle Entscheidungsträger – ob Experten oder Politiker – betreten durch SARS-CoV-2 und seine Mutationen Neuland und es gibt kein Handbuch wie man richtig vorzugehen hat. Erst in einigen Jahren wird man wissen, welche Entscheidungen gut oder falsch waren.

Das Impfstoffproblem jedenfalls wird sich in naher Zukunft eindeutig verbessern. Denn zurzeit sind eine ganze Menge neuer Corona – Impfstoffe in der letzten Phase der Klinischen Prüfung (Phase III) und gelangen – bei entsprechend erfolgreichem Abschluss – in den nächsten Monaten zur Zulassung.
Der Impfstoff von Johnson&Johnson wurde als 4. Vakzine bereits vor kurzem für die EU zugelassen. Sein Vorteil gegenüber den anderen Impfstoffen liegt darin, dass er nur 1x verabreicht werden muss. Er wird innerhalb der kommenden Monate ausgeliefert, bestenfalls schon im April. Das könnte sich jedoch verzögern, da am 1. April publik wurde, dass es bei einer Charge von 15 Millionen Dosen zu einem Problem bei der Produktion gekommen ist.

Covid Impfung
Für die aktuell zugelassenen Impfstoffe werden keine ganzen Viren verwendet, sondern nur Teile des Virus-Erbguts.

AKTIVE IMMUNISIERUNG

Aktive Impfstoffe dienen dazu, das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern anzuregen, damit unser Abwehrsystem beim nächsten Kontakt mit dem Erreger diesen schon erkennt und sofort mit der Vernichtung beginnen kann. Die Erkrankung bricht dadurch nicht aus oder nimmt einen schwachen Verlauf. Das ist der Grund, weshalb es bereits für Säuglinge und Kleinkinder einen allgemeinen Impfplan gibt. Viele tödliche Krankheiten (zB. Pocken) konnten durch konsequente Durchimpfung der Bevölkerung ausgerottet werden oder sie treten nur mehr in kleinen Clustern auf.

Um unser Abwehrsystem anzuregen, muss ihm ein abgetöteter Erreger oder besser ein unverwechselbares Teilchen dieses Erregers präsentiert werden, damit ganz spezifische Antikörper dagegen gebildet werden können. Dafür stehen heutzutage schon etliche Methoden zur Verfügung.

Wissenschaftlich gesehen gibt es verschiedene Unterteilungen von Impfstoffarten. Die bereits zugelassenen Corona-Impfstoffe gehören zur Gruppe der „Genetischen Impfstoffe“, die einen neuartigen Ansatz darstellen.

Es werden keine Viren oder Virus-Stücke für den Impfstoff verwendet, sondern nur Teile des Virus-Erbguts. Dieses wird mit dem Impfstoff in die Zellen geschleust und dient als Bauplan für die so genannten Oberflächenproteine des Erregers. Beim SARS-CoV-2 sind das die vielzitierten Spikeproteine. Diese Proteine sind für jedes Virus ganz spezifisch und werden bei neuerlichem Kontakt mit dem Erreger vom Immunsystem sofort erkannt und die Abwehr beginnt. Die Proteine selbst sind ungefährlich.

Zu dieser Gruppe von Impfstoffen zählen DNA-Impfstoffe, RNA (mRNA)-Impfstoffe und Vektor-Impfstoffe (oft mit harmlosen Adeno-viren als Träger). Durch die Impfung wird unser Erbgut nicht beeinflusst, wie vielleicht manche fürchten. Denn unsere DNA liegt im Zellkern und dort kommen diese Impfstoffe gar nicht hin.

Von den vier bisher in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffen sind zwei mRNA-Impfstoffe (Biontech/Pfizer und Moderna) und zwei Vektor-Impfstoffe (Vaxzevria von AstraZeneca und Janssen von Johnson&Johnson). Sie unterscheiden sich durch die notwendige Kühltemperatur, die Anzahl und den Zeitabstand der Zweitimpfung und das Ausmaß an Wirksamkeit nicht nur gegen SARS-CoV-2 selbst, sondern auch gegen diverse Mutationen.

Einen guten Überblick erhalten Sie durch die Faktenblätter des Robert-Koch-Institutes für mRNA-Impfstoffe und Vektor-basierte Impfstoffe.

FRAGEN & ANTWORTEN

Ist ein so schnell zugelassener Impfstoff sicher?
Für eine Zulassung muss in Studien mit zehntausenden Probanden gezeigt werden, dass der Impfstoff wirksam, verträglich und sicher ist. Dies ist auch bei COVID-19-Impfstoffen geschehen. Im Rahmen eines „Rolling Review“-Verfahrens wurden keine sicherheitsrelevanten Prüfschritte ausgelassen, aber Prozesse verschlankt und zeitgleich durchgeführt. In der Sondersituation der Pandemie bekamen die Zulassungsbehörden schon in der Entwicklungsphase der Impfstoffe fortlaufend Daten von den Entwicklern übermittelt und konnten daher schneller über eine Zulassung entscheiden. Es gilt jedoch wie bei jeder Impfstoffeinführung: nach Einführung einer Impfung muss und wird die Sicherheit eines Impfstoffs in der Anwendung weiter überwacht werden („Surveillance“), damit eventuelle, seltene
Nebenwirkungen erfasst werden können.

Wer gehört zu einer besonderen Risikogruppe?
Es muss zwischen Risikofaktoren und Vorerkrankungen unterschieden werden. Es gibt einige Vorerkrankungen, die das Risiko für einen schweren COVID-19-Erkrankungsverlauf und Versterben erhöhen. Dazu gehören unter anderem Trisomie 21, Organtransplantation, Adipositas, chronische Nierenerkrankungen, Demenz, Herzinsuffizienz und Diabetes. Andere Vorerkrankungen erhöhen das Risiko nur leicht oder auch gar nicht. Insgesamt ist aber ein hohes Lebensalter der wichtigste Risikofaktor für einen schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverlauf.

Wer kann sich zuerst impfen lassen?
Da die Impfstoffe weiterhin nur eingeschränkt verfügbar sind, bekommen sie Menschen mit besonders hohem Risiko für schwere oder tödliche Verläufe der Erkrankung zuerst, ebenso wie Menschen, die ein besonders hohes berufliches Risiko haben, sich anzustecken oder die Infektion auf besonders schutzbedürftige Personengruppen zu übertragen.

Dürfen bzw. sollten sich COVID-19-Genesene noch impfen lassen?
Die derzeit verfügbaren Daten belegen eine Schutzwirkung für mindestens 6 bis 8 Monate nach laborbestätigter SARS-CoV-2-Infektion. Entsprechend sollte frühestens 6 Monate nach Genesung eine COVID-19-Impfung erwogen werden. Hierbei reicht eine Impfstoffdosis aus, da sich dadurch bereits hohe Antikörpertiter erzielen lassen. Nach den bisher vorliegenden Daten gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Impfung nach bereits unbemerkt durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion eine Gefährdung darstellt.

Wie wirksam ist der Vektor-basierte Impfstoff COVID-19 Vaccine Vaxzevria® (AstraZeneca)?
Nach vollständiger Impfserie und einem Intervall von 8 bis 12 Wochen liegt die Wirksamkeit bei bis zu 80 Prozent. Eine höhere Wirksamkeit kann erreicht werden, wenn die obere Grenze des Intervalls ausgeschöpft wird (12 Wochen). Die Wirksamkeit zur Verhinderung von COVID-19-assoziierten Hospitalisierungen und Todesfällen ist höher.

Wie lautet die aktuelle Empfehlung zu allen derzeit zugelassenen Impfstoffen?
Für die Impfung gegen COVID-19 sind aktuell in der Europäischen Union vier Impfstoffe zugelassen. Es handelt sich dabei um zwei mRNA-Impfstoffe (Comirnaty der Firma BioNTech/Pfizer und COVID-19-Vaccine-Moderna der Firma Moderna) und zwei Vektor-basierte Impfstoffe (COVID-19 Vaccine Vaxzevria der Firma AstraZeneca und Janssen der Firma Johnson & Johnson). Für eine vollständige Impfserie sind bei drei dieser Impfstoffen zwei intramuskulär zu applizierende Impfstoffdosen notwendig. Bei Janssen wird eine Impfdose appliziert. Sobald weitere Impfstoffe zugelassen und verfügbar sind oder neue relevante Erkenntnisse mit Einfluss auf diese Empfehlung bekannt werden, wird die COVID-19-Impfempfehlung aktualisiert und publiziert werden.

Gibt es Sicherheitsbedenken bei den Vektor-basierten Impfstoffen?
Die beim Vaxzevria-Impfstoff von AstraZeneca als „Trägerviren“ verwendeten Adenoviren sind für den Menschen harmlos. Das Virus repliziert (vermehrt sich) im menschlichen Körper nicht und kann somit keine Erkrankung auslösen. Es wird nach einiger Zeit vom Immunsystem abgebaut. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft besteht kein Risiko durch Integration der Vektorvirus-DNA in das menschliche Genom.

WISSENSWERTES

Alle Impfstoffe, die aktuell in Österreich zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen sehr gut vor einer Erkrankung durch die in Österreich hauptsächlich zirkulierende Variante B.1.1.7, und sie schützen auch vor schweren Erkrankungen durch die anderen Varianten.

Impfschema
Für die mRNA-Impfstoffe wird ein Abstand von 3 bis 6 Wochen (Comirnaty) bzw. 4 bis 6 Wochen (COVID-19-Vaccine-Moderna) zwischen den beiden Impfstoffdosen des gleichen Produkts empfohlen. Die Impfung ist strikt intramuskulär (i.m.) zu verabreichen.

Wann sollte nicht geimpft werden?
Fieber über 38,5 °C, Kinder und Jugendliche unter 16 bzw. 18 Jahren (je nach Impfstoff), Allergie gegen Bestandteile der Impfstoffe. Bitte Fachinformationen beachten.

Wichtig zu wissen
Die neuen COVID-19-Impfstoffe scheinen etwas reaktogener als übliche Impfstoffe zu sein. Bei hoher Empfindlichkeit kann eine Gabe eines leichten Schmerzmittels die Impfreaktionen lindern.

Der volle Impfschutz ist erst etwa 7 bis 14 Tage nach der zweiten Impfung zu erwarten.

Zu anderen Impfungen soll ein Abstand von 14 Tagen vor und nach jeder COVID-19-Impfung eingehalten werden (Notfallimpfungen sind davon ausgenommen).

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